Skip to main content

Vater werden wäre schön

«Ich würde gerne Vater werden!», sagte eine Freundin neulich aus heiterem Himmel. Vater? Weil die Karriereziele der Väter auch heute noch selten von einem Kinderwunsch durchkreuzt werden. Männer müssen sich nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden, sondern machen frischfröhlich einfach beides. Frischfröhlich ist auch die Geschichte eines Jungvaters, die mir neulich zugetragen wurde: Spontan sei er von seinem Bruder auf eine Auto-Spritztour eingeladen worden. «Nimm die Kleine doch mit, ich hole euch ab», schlug dieser vor. Gute Idee, dachte sich der Jungvater, nahm seine kleine Tochter auf den Arm und stieg an Bord. Irgendwann stellte sich heraus, dass er die Trinkflasche für das Kind vergessen hatte. Und erst als das Töchterchen «Papi, Gaggi», brabbelte, fiel ihm siedend heiss ein, dass er ja auch keine Windeln eingepackt hatte. Notfallmässig hielten sie bei einem Laden, um Windeln zu kaufen. Verantwortung übernehmen, das habe er zuerst lernen müssen. Dass sich Angelina Jolie hat die Brüste amputieren lassen, weil ihre Kinder sie nicht an Brustkrebs verlieren sollen, berührt mich zwar einerseits tief. Und trotzdem ist mir nicht ganz wohl dabei. Weil es den Mythos der aufopferungsvollen Mutter noch mehr hochstilisiert. Wenn ein Vater die Windeln einzupacken vergisst, finden wir es lustig. Wenn es einer Mutter passiert, gilt sie als wirr. Ja, Vater zu werden wäre schön.

Erschienen im «Winterthurer Stadtanzeiger», 04.06.2013