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Schafft den Sonntag ab

«Für Singles ist der Sonntag einfach der beschissenste Tag der ganzen Woche!» Das kam so ehrlich und aufrichtig aus dem Mund von Kaktusblüte, dass mich sogleich das Bedürfnis überkam, mich demütig vor ihr niederzuknien und sie gleichzeitig stürmisch zu umarmen. Mit diesem Satz spricht sie mir und Millionen von anderen Singles rund um den Erdball aus tiefstem Herzen. Am Sonntag hat man sich als Single gefälligst selbst zu genügen, denn Sonntag ist Familientag. «Normale» Leute verbringen den Sonntag mit dem Partner und – falls vorhanden – den Kindern. Der Sonntag ist der Familienpicknick-Tag, der Connyland-Ausflugtag oder der Im-Bett-bleiben-lesen-und-vögeln-Tag. Es gibt nur wenig, was sich in der globalisierten Welt an traditionellen Werten halten konnte, der Sonntagsbratenschmaus mit anschliessendem Spaziergang hat den Sprung in die Moderne leider geschafft.
Ich möchte nicht wissen, wie viele Singles sich am Sonntag im Fitnesszentrum auf den Geräten abstrampeln, nur um gegen die Leere anzukämpfen, die sich in ihrem Innern breit macht, ihnen den Hals zuschnürt und ihnen das Herz schwer werden lässt. So ein leerer Sonntagnachmittag kann zentnerschwer auf einem liegen, so viel kann ich rübermorsen von meinem beziehungslosen Planeten. Am Tag der Gemeinschaft auf sich gestellt zu sein, steigert die gefühlte Einsamkeit – und, je nach vorüberziehendem Tiefdruckgebiet – auch die Verzweiflung.

Und was ist das Erste, was wir gutmütigen Single-Freundinnen intuitiv tun, wenn eine unserer Freundinnen verlassen wird? Wir sorgen für die Sonntagnachmittagsunterhaltung. Wir laden zum Kaffee, ins Kino oder ins Museum. Weil Liebeskummer und das Sonntagsgefühl sich schlecht vertragen. Schonen, schonen, schonen ist jetzt oberstes Gebot, die Freundin soll keinesfalls diesem klammen Gefühl ausgesetzt sein, das für uns zum Alltag gehört. Wenn wir ehrlich sind, geniessen wir die unerwartete sonntägliche Gemeinschaft. Obschon der Nachgeschmack etwas schal ist im Abgang. Denn wir wissen genau, dass wir nur die Lückenbüsser sind. Sollte sich das ganze Trennungsdesaster bei Lichte betrachtet doch nicht als ganz so tragisch erweisen, sitzen wir bereits nächsten Sonntag wieder ohne Begleitung im Café. Doch dieses Risiko gehen wir ein. Schliesslich haben wir nichts zu verlieren. Ausser einem weiteren dumpfen Sonntagnachmittag.