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Papa Römerin und das Sonnenblumenfeld

Sonnenblumen sind Sommerfreuden. Und so staunte ich nicht schlecht, als ich diese Woche bei den Eltern der Römerin war, um etwas abzuholen. Vor dem Wohnzimmerfenster von Papa und Mama Römerin breitete sich nämlich frontal ein riesiges Sonnenblumenfeld aus wie ein verheissungsvoller Teppich. Ein Sonnenblumenfeld vor das Haus gepflanzt zu bekommen, das ist wie ein Sechser im Lotto, schliesslich kann man sich einen ganzen Sommer lang daran erfreuen. Dieses Gelb, das so frisch aussieht, wie sich ein leichter Sommerregen auf einer Vespa anfühlt – oder so grell, dass es blendet, wenn die Sonne im Zenit steht, wie mich Papa Römerin aufklärte. Zum Glück muss ich nie eine Sonnenbrille aufsetzen, wenn ich an einem sonnigen Tag nach dem Mittagessen Zeitung lesen will, und von unerwünschten Flug- und Kriechtieren mit haarigen Beinen werde ich auch verschont, wer weiss, vielleicht würden die Mücken oder Käfer auch böse Viren übertragen, während ich nichtsahnend auf meinem Liegestuhl fläze, ja und mein süsser Kater Merlin – wie leicht könnte er sich in so einem Sonnenblumenfeld verhaken, verhungern oder verdursten, ja und ausserdem: Wer weiss, wie viel Strahlkraft dieses Sonnenblumengelb tatsächlich hat, vielleicht reicht es bis ins Universum, Ausserirdische fangen das Signal ein und eines Nachts landen sie auf meinem Sonnenblumenfeld und nehmen mich gefangen und entführen mich in die Alpha Centauri-Galaxie oder brandmarken mich und ich erlebe die Evolution rückwärts, Tag für Tag, bis ich mich irgendwann in einen Käfer mit haarigen Beinen verwandle wie Gregor Samsa, ja und was für eine Katastrophe, wenn die Sonnenblumen verblühen, dann hätte ich ein Meer von brandschwarzen, toten Sonnenblumen, die den Kopf hängen lassen, vor meinem Fenster, die mich an Zerfall, Tod und Verwesung erinnern, ja ein unmissverständliches Zeichen für den nahenden Winter, ja viel schlimmer noch als Blätter, die vom Baum fallen, und dann, am schwärzesten Tag von allen, fährt der Mähdrescher auf und das Sonnenblumenfeld wird abrasiert und verwandelt sich in eine dunkle Einöde, die sich wie ein Wundmal in die Landschaft und in mein Herz bohrt. Uff, bin ich froh, dass ich kein Sonnenblumenfeld vor dem Wohnzimmerfenster habe.