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Die Tattoo-Brüderschaft

Neulich sitzen die Amazonen und ich in der Kneipe, als wir mit vier Männern um die Zwanzig ins Gespräch kommen. Eine ganz alltägliche Situation. Was in der Folge passiert, ist allerdings nicht mehr ganz so alltäglich. Wer hätte gedacht, dass auf unsere harmlose Frage, «Seid ihr gute Freunde?», eine dermassen eindrückliche und in der Tat «handfeste» Antwort folgen würde. Wir staunen nämlich nicht schlecht, als die jungen Männer wie auf Kommando den Gürtel ihrer Jeans lockern, Knopf und Reissverschluss öffnen, sich umdrehen und uns ihre nackten Pos auf dem Präsentierteller entgegenstrecken.
Einen Moment lang sind wir sprachlos, was im Kreise der Amazonen wirklich nur in Ausnahmefällen vorkommt. Bis wir entdecken, dass auf allen entblössten Ärschen die gleiche Tätowierung prangt, haben wir unsere Sprache wieder gefunden und es kommt wie aus einem Mund: «Ist die neu?» Gekreische. «Was ist das?» Gelächter und Gekicher. Es ist eine Art chinesisches Schriftzeichen, das sie sich eben erst haben stechen lassen. Eine Tätowierung auf dem Arsch – was für ein Freundschaftsbeweis! Wir sind uns einig, dass ein tätowiertes Herz mit dem Namen des Freundes oder der Freundin lächerlich anmutet. Aber Freunde, die auf diese körperliche Art ein Leben lang aneinander erinnert werden wollen, das hat Stil!
Die Amazonen wollen den Jungs dann natürlich in nichts nachstehen und präsentieren voller Stolz ihren Freundschaftsring. Doch die Geste wirkt fad, ja die ganze Ringgeschichte wirkt plötzlich extrem langweilig und alltäglich. Schweren Herzens müssen wir diese Niederlage einstecken. Ich versuche dann zu trösten, indem ich sage: «Wir würden sowieso kein Motiv finden, das uns allen gefallen würde.» Worauf Lockenkopf wie aus der Pistole geschossen und in vollem Ernst sagt: «Ich glaube, ich würde ein Schmetterlingstattoo wollen.» Die Reaktion der anderen lässt nicht lange auf sich warten: «Ein Schmetterling? Spinnst du eigentlich?» Die durchdiskutierten Nächte, bis wir dann noch die geeignete Körperstelle auserkoren hätten, möchte ich uns doch lieber ersparen…