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Der Killerblick

Neulich im improvisierten Fotostudio: Eine Freundin fotografiert mich für den Lebenslauf. Auf einem der Bilder habe ich meine Fransen nach hinten gesteckt, was so wirkt, als würde ich die Haube einer Ordensschwester tragen. «Mit diesem Foto könntest du dich glatt fürs Kloster bewerben!», sagt meine Freundin und wir lachen. Dann gibt es noch die Fotos mit Blazer, wo ich aussehe wie der Werbebroschüre einer Grossbank entsprungen. Eigentlich hätten wir das gerne weitergeführt – das ganze Spektrum von der Heiligen bis zur Hure. Auf Bewerbungsfotos soll man lächeln, aber ja nicht zu stark, weil das wieder unprofessionell wirkt. Brav und strebsam soll man aussehen. Und dabei auch noch sympathisch wirken. Mir schwirrt der Kopf. Hilfe, ich brauche Schauspielunterricht! Und beim Bewerbungsgespräch werden wir dann trotzdem wieder angehalten, authentisch zu sein. Ein Gedanke frustriert mich besonders: Lange Jahre habe ich damit zugebracht, herauszufinden, wer ich wirklich bin, nur um es in einem Bewerbungs-Kontext tunlichst wieder verschweigen zu müssen. Dabei sucht jedes Unternehmen Persönlichkeiten. Persönlichkeiten ganz ohne Ecken und Kanten, aalglatt und debil lächelnd wie auf dem Bewerbungsfoto. Ich bin keine Hure und keine Heilige, ich bin ein Mensch mit Einfühlungsvermögen, der den Anspruch hat, einen interessanten Job zu finden. Wie viele andere auch. Aber ein Ass im Ärmel habe ich noch: Auf einem der Nonnen-Fotos habe ich den absoluten Killer-Blick. Der jagt sogar mit Angst ein. Und den HR-Leuten hoffentlich auch.