Willkommen im Stadtatelier
Hach, was für ein reizvolles Leben mich als Thalwiler Autorin erwarten würde! In unserer Strasse gibt es ein kleines Waschhäuschen, das ich zum Schreibatelier umfunktionieren würde. Wenn man richtig ernsthaft schreiben möchte, braucht man nämlich eine Schreiblaube im Garten, das legen die Beispiele bekannter Schriftstellerinnen wie Milena Moser oder Isabel Allende nahe. Aber die Tatsache, dass ich in unserem über 100-jährigen Wohnhaus mit der eigenwilligen Crevettenfarbe keinen Garten habe, macht das Waschhäuschen zu einem würdigen Ersatz. Zumal es auch noch direkt vor meiner Haustür liegt, nur zwanzig Meter weiter die Strasse hinauf. Als waschechter Gfrörli frage ich mich, wie die Heizsituation im Winter wäre und ob es einen Stecker gäbe, an der ich meine Siebträger-Kaffeemaschine anschliessen könnte. – oder ob ich als Kaffee-Ersatz gleich auf El Tony Mate umstellen müsste. Darüber hinaus frage ich mich, ob ich meine Ruhe hätte oder ob gar immer wieder Leute reinschneien würden, die gerade in der Nähe waren und denen ich in meinen neuen bunten marokkanischen Tässchen einen Espresso kredenzen würde.
Also ehrlich gesagt mag ich es nicht besonders, beim Schreiben gestört zu werden. Das merke ich immer, wenn der Bär nach Hause kommt und ich gerade am Tippen bin. Dann bin ich gedanklich abwesend und was er zu erzählen hat, interessiert mich dann nicht besonders. Das könnte in der Tat zu einem Knackpunkt werden, denn die alte Landstrasse ist eine recht trubelige Sache. Regelmässig quetschen sich Linienbusse durch die schmale Strasse, Menschen strömen zielstrebig zum Bahnhof oder kehren schwer beladen vom Einkaufen zurück. Kinder traben neben ihren Eltern her, die den Kinderwagen stossen, und manchmal quert auch eine junge Frau mit Rucksack den Fussgängerstreifen Richtung Hafen, um dort mit dem Schiff ans andere Ufer zum Gymi überzusetzen. Eine sehr urbane Atmosphäre, nicht zu vergleichen mit meinem ehemaligen Landatelier im Winterthurer Umland, das im Vergleich eher ein Geisterdorf ist. Dafür hatte ich dort direkten Blick auf eine Herde weidender Schäfchen! Meine Mutter und ich haben sie geliebt, diese Schäfchen. Als ich Eva wehmütig von dieser wollenen Wonne erzählt habe, versprach sie mir Schäfchen-Aufziehkleber fürs Fenster. Überhaupt die El Liesyum-Frauen vom Buchladen und meine Busenfreundin, die Eremitin: Ich bräuchte kreative und zupackende Frauen, die mir beim Umbau helfen würden. Ich kann ja keinen Hammer richtig halten.
Auch outfittechnisch gibt es offene Fragen! Meine Freundin Lockenkopf hätte in Essaouira an Marokkos Atlantikküste beinahe dieses sagenhafte Übergewändli mit den lustigen Stickereien gekauft. Der Gedanke inspiriert mich so: Sie in diesem Übergwändli in ihrem Landatelier, wo sie Betonfiguren giesst oder Blumengestecke fabriziert. Aber sie fand das Übergwändli trotz einem Preis, der quasi sekündlich fiel, doch zu teuer für ein Kleidungsstück, das sie nur für die Arbeit anzieht und das sehr schnell schmutzig wird. Trotzdem habe ich mich irgendwie in den Gedanken verliebt, beim Schreiben jeweils ein ultra-bequemes Outfit zu tragen, das besagt: «Ich schreibe!» Milena Moser hat das bestimmt! Ich denke da an den irischmoosfarbenen Mantel, den ich vor einigen Jahren in Berlin gekauft habe und dazu vielleicht eine bequeme Aladdin-Hose, wie wir das früher genannt haben. Immer vorausgesetzt, die Heizsituation lässt es zu. Und dann trage ich dazu noch einen knallroten Lippenstift und die Welt gehört mir! Dann fühle ich mich mutiger, als ich eigentlich bin. Mutig und doch geborgen in der Welt. Und natürlich würde ich in meinem Waschküchen-Schreibatelier auch Atelier-Partys veranstalten! Ich würde sie ganz nach Lust und Laune ansetzen, wahrscheinlich an einem Donnerstagabend. Ich würde dann jeweils die Lichtergirlande rund ums Waschhäuschen anstellen, was bedeuten würde: Open Doors im Atelier! Auch die El Tony Mate-Dosen, die ich in der Ecke gestapelt hätten, würden sich im Nu in ein Feierabendgetränk umwandeln lassen: Einfach mit ein wenig Vodka aufgefüllt, und schon steht der Ausgelassenheit nichts mehr im Weg.